Mittwoch, 23. September 2009

Interview mit dem Sportosteopathen Joachim Kaufmann


Interview mit dem Sportosteopathen Joachim Kaufmann
Joachim Kaufmann lebt mit seiner Familie in Bergen, Norwegen, wo er
praktiziert und unterrichtet. Er betreut unter anderem den norwegischen
Fußballmeister Brann Bergen und die deutsche Basketballnationalmannschaft.
Nach seiner Physiotherapieausbildung begann Joachim Kaufmann
1989 eine osteopathische Ausbildung und parallel eine Ausbildung in
Traditioneller Chinesischer Medizin (TCM). Nach dem Titel D.O. im Jahre
1997 erlangte er in Großbritannien 2000 den Abschluss Bachelor und vier
Jahre später den Master. Heute schreibt er an seiner Doktorarbeit an den
Universitäten Oslo und Bergen über den Stellenwert des Fußes in der
Osteopathie.
Wie sind Sie zur Osteopathie gekommen?
Ich hab seinerzeit beim Olympiastützpunkt in Berlin gearbeitet und ausschließlich
Hochleistungssportler behandelt. Ich bin eigentlich immer auf der Suche gewesen nach Behandlungstechniken, mit denen ich schneller zum Erfolg
komme. Denn Sportler stehen ja immer unter Zeitdruck. Am besten müssen sie nach der ersten Behandlung gesund rausgehen können. Wenn sie eine Verletzung
nach einem Inversionstrauma oder nach einem Muskelfaserriss haben, gehen Sportler auch viel früher in Belastungen wieder rein, was ein normaler
Patient gar nicht kann.
Ich habe dann einen Kurs zum Thema „Der Fuß im Sport“ besucht, der von
zwei Osteopathen geleitet wurde. Da haben wir alles Mögliche kennen gelernt,
unter anderem eben Osteopathie, aber auch Akupunktur und Homöopathie usw. Drei Monate später sah ich eine Anzeige für die erste Ausbildung in Osteopathie,
wie sie in Deutschland angeboten wurde, und meldete mich an. Parallel habe ich meine Ausbildung in chinesischer Medizin in Norwegen gemacht.
Das ist die Spezialität, mit der ich arbeite, weil ich über Puls- und Zungendiagnose den Energiezustand des Patienten messe und ihn gleichzeitig mitkorrigiere, wenn ich osteopathisch behandle.
Sie haben damals als Physiotherapeut angefangen?
Genau, ich habe als Physiotherapeut beim Olympiastützpunkt gearbeitet und
als ich mit der Akupunkturausbildung fertig war, auch unheimlich viel mit Akupunktur
behandelt. Aber damit habe ich aufgehört als ich dann mit der Osteopathie
fertig war.
Also jetzt ist es eine Kombination aus Osteopathie und Traditioneller Chinesischer
Medizin?
Ja. Traditionell chinesisch denke ich auch immer, wenn die Patienten mir Symptome
erzählen. Das bereichert sozusagen die anamnestische Bandbreite und
ich kann schneller zuordnen, wo das Problem sitzt. Aber ich korrigiere sozusagen
nur osteopathisch.
Und wie ergänzen sich diese beiden Herangehensweisen?
Optimal. Ich kann mit der Pulsdiagnose sehr gut die Therapielokalisation machen.
Wenn ich erst den Patienten energetisch stabilisiere oder balanciere,
klappen auch die anderen Sachen, die ich osteopathisch mit dem Patienten
machen möchte, viel besser. Es geht dann schneller, den Patienten symptomfrei
zu machen oder osteopathisch zu korrigieren.
Sie praktizieren heute in Norwegen. Wie kam es dazu?
Ich bin vor fünf Jahren nach Norwegen ausgewandert, komme ab und zu nach
Berlin um in meiner weiterhin bestehenden Praxis nach dem Rechten und meine
alten Patienten wieder zu sehen. Hier arbeiten sechs fertig ausgebildete
Verband der Osteopathen Deutschland e.V. - Presseheft 2008
Thema: Osteopathie und Sport, Juni 2008
Osteopathen und einige Physiotherapeuten. Die Kollegen sind teilweise freie
Mitarbeiter, teilweise fest angestellt.
Dass es Norwegen geworden ist liegt daran, dass meine Frau Norwegerin ist.
Und ich bin damals aus Stress dorthin gegangen. Mein damaliger Kompagnon
war tödlich verunglückt und ich hatte zwei REHA-Zentren allein zu betreuen.
Das hat mich aufgefressen. Dann hab ich irgendwann einen Schlussstrich gezogen
und bin weg, nachdem eines der Zentren verkauft wurde.
Was für eine Stellung hat denn die Osteopathie in Norwegen?
In Norwegen gibt es etwa 250 Personen, die osteopathisch arbeiten. Die rechtliche
Grundlage ist erstmal eine ganz andere, denn in Norwegen ist alles erlaubt,
was nicht verboten ist. Und dem entsprechend kann man dort einfacher
mit einer neuen Behandlungsmethode arbeiten. In der zweitgrößten Stadt in
Norwegen, in Bergen, wo ich arbeite, gab es damals keinen einzigen Osteopathen.
Das heißt ich konnte das mit meiner Frau, die auch Osteopathin ist,
aufbauen und das wurde sehr gut von den Patienten in extrem kurzer Zeit angenommen.
Wir mussten sehr viel informieren. Und durch die Zusammenarbeit
mit den Ärzten und anderen Therapeuten haben wir uns dort gut etablieren
können. Wir sind jetzt mittlerweile zu viert, also vier fertig ausgebildete Osteopathen
und in der Stadt arbeiten noch vier weitere, von denen drei aber noch in
der Ausbildung sind.
Sie betreuen auch eine Reihe von Top-Sportlern, unter anderem Dirk Nowitzki
oder den Norwegischen Fußballmeister Brann Bergen. Wie kam es
dazu? Über Ihre Arbeit auf dem Olympiastützpunkt?
Nein, ich hatte damals mehr Kontakte zur Leichtathletik. Ich habe zuerst die
Mehrkämpfer der deutschen Nationalmannschaft betreut, dann die Leichtathletikjunioren.
Und die wollten dann von mir, dass ich zu allen sechs wichtigen
Meetings und Wettkämpfen, die sie haben, eine feste Zusage für das folgende
Jahr mache. Ich habe seinerzeit ziemlich viel Osteopathie unterrichtet und sagte,
das kann ich nicht gewährleisten. Daraufhin haben wir die Zusammenarbeit
beendet. Im Jahr 2000 hat ein Freund von mir, mit dem ich die Osteopathieausbildung
gemacht hatte, mich gefragt ob ich nicht bei der Betreuung der
Basketball Nationalmannschaft einsteigen möchte. Ich hatte seit 1993 Alba
Berlin betreut und da war es relativ leicht, weil seinerzeit die Hälfte der Nationalmannschaft
von Alba kam und so habe ich auch Dirk Nowitzki kennen gelernt.
Und zu der Mannschaft in Bergen kam ich, weil ich damals der einzige
Osteopath dort war.
Und wie bringen Sie das alles unter, wenn Sie teilweise in Norwegen und
Berlin arbeiten und Sportler wie z.B. Nowitzki in Amerika spielen? Behandeln
Sie nach Bedarf oder lassen sich da regelmäßige Termine einrichten?
Ich war vor kurzem bei einem Osteopathiekongress in Dallas, da spielt ja auch
Dirk Nowitzki. Er hat sich zwei Tage vor dem Kongress verletzt und es ging
durch die Presse, dass er so schwer verletzt sei, dass die Olympiaqualifikation
gefährdet sei. Ich konnte ihn dann da an drei aufeinander folgenden Tagen
behandeln und er hat dann kurz darauf wieder spielen können. Das ist jetzt ein
Ausnahmefall, denn eigentlich bekommt er keine regelmäßige osteopathische
Behandlung während der Saison. Ich hab ihm jetzt aber dort einen Osteopathen
besorgt.
Ansonsten ist es manchmal eben ziemlich ungünstig. Wenn ich hier in Deutschland
mit der Basketball Nationalmannschaft unterwegs bin, dann bin ich nicht in
Bergen und dann kann ich nicht für die Fußballer da sein oder andere Athleten,
wie zum Beispiel Geher auf Weltklasseniveau, die ich dort betreue.
Verband der Osteopathen Deutschland e.V. - Presseheft 2008
Thema: Osteopathie und Sport, Juni 2008
Was kann die Osteopathie für Sportler leisten?
Dass wir unseren Schwerpunkt auch in Richtung Zusammenhängen sehen,
macht es uns so einfach Problemzonen komplexer zu behandeln. Ich habe natürlich
den Vorteil, dass ich vorher Physiotherapeut gewesen bin, um die
Schwächen der Osteopathie kompensieren zu können. Alles was mit Training
zu tun hat oder Muskelaufbau, das gehört nicht zur Osteopathieausbildung.
Das ist die Schwäche der Osteopathie.
Wie gestaltet sich denn die Zusammenarbeit mit Ärzten oder Masseuren?
Die Basketballnationalmannschaft wird zum Beispiel von mehreren Mannschaftsärzten
und drei Osteopathen betreut. Wir haben keinen Masseur und
keinen Physiotherapeuten. Deswegen ist natürlich die Arbeit, die wir dort leisten,
extrem osteopathisch geprägt. Und die Ärzte haben unterschiedliche Qualifikationen,
zum Beispiel ist der Hauptarzt Chirurg und Notfallmediziner, der
kennt sich sehr gut aus mit den Dingen, die wir brauchen. Wir haben aber auch
einen unter den Ärzten, der Chirotherapeut ist und auch viel im Sport arbeitet.
Haben sich denn Osteopathen mittlerweile in der Betreuung von Mannschaften
und Spitzensportlern etabliert?
Ja, kann man so sagen. Ich bin jetzt in Bergen in der zweiten Saison dabei. Die
hatten anfangs unheimliche BerührungsaÅNngste. Die dachten, ich will denen was
wegnehmen. Sie hatten vorher eine Zusammenarbeit mit einem Osteopathen,
der immer eingeflogen ist, um dort Behandlungen durchzuführen. Die haben
richtig Ärger miteinander gekriegt. Ich hab da glücklicherweise einen anderen
Zugang und komme mit denen jetzt perfekt aus. Wir haben eine sehr gute
Kommunikation.
Was ist bei der Behandlung von Sportler anders als bei einem Durchschnittspatienten?
Also vom Behandlungsablauf her gibt es keinen Unterschied. Aber von den
Ratschlägen die ich gebe. Die meisten Patienten sind ja vom Prinzip her nicht
so motiviert ihr Leben zu verändern. Die Sportler sind durch die Leistungsbereitschaft,
die sie haben, und weil sie so schnell wie möglich auch wieder aufs
Spielfeld wollen, viel eher bereit Ernährungsumstellungen oder Übungen zur
Verbesserung ihres Zustandes konsequenter durchziehen.
Also sind Sie auch über das manualtherapeutische hinaus beratend tätig?
Ich bezeichne das immer als osteopathisches Management und das gehört für
mich genauso mit dazu. Das wird auch ein Bestandteil meiner jetzigen Doktorarbeit
sein.
Bei der Behandlung von Sportlern sind ja andere Sachen wichtig, wie zum
Beispiel die Nachbehandlung nach sportlichen Belastungen, auch in Hinblick
auf Rekonvaleszenz-Zeiten usw.
Bei den Fußballern in Bergen ist es so, dass sie auch Masseure, Ärzte, Physiotherapeuten
und Manualtherapeuten parallel zu mir haben. Und dort bekommen
sie alles was pflegerisch notwendig ist. Hier kommen sehr viele präventiv
zu mir zur Behandlung. Übrigens gibt es auch unter meinen normalen Patienten
viele die präventiv kommen. Deswegen versuche ich auch die Praxis so zu
organisieren, damit ich zur Not auch einen Patienten noch hinten ranhängen
kann. Denn ich glaube, dass die Osteopathie gerade bei akuten Problemen
eine der besten Möglichkeiten bietet. Viele vermitteln den Eindruck, dass die
Osteopathie besonders bei chronischen Komplikationen hilft, aber das liegt
daran, dass die Osteopathen als Therapeuten in der Regel als Letzte gewählt
werden. Zum Beispiel beim Dirk Nowitzki war das ein akutes Problem, bei dem
Osteopathie gut geholfen hat.
Verband der Osteopathen Deutschland e.V. - Presseheft 2008
Thema: Osteopathie und Sport, Juni 2008
Machen Sie selbst auch Sport oder bleibt ihnen dafür keine Zeit mehr?
Naja, eine Stunde am Tag muss schon sein. Ich laufe gern, früher habe ich
auch Triathlon gemacht, aber dafür bleibt mir keine Zeit. Und in Norwegen habe
ich jetzt angefangen zu klettern und Kajak zu fahren.
Herr Kaufmann, vielen Dank für dieses Interview.
Abdruck nur mit vorheriger Genehmigung.
Belegexemplar erbeten.

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