Mittwoch, 23. September 2009

Osteopathie in der Schwangerschaft Adelheid Wünsch


Osteopathie in der Schwangerschaft
Adelheid Wünsch D.O. ist Osteopathin mit eigener Praxis in Herrsching am
Ammersee. Ihr Spezialgebiet ist die osteopathische Behandlung von
Schwangeren.
Frau Wünsch, behandeln Sie vorwiegend schwangere Frauen?
Ich behandele gern alle Patienten. Im gynäkologischen Bereich allerdings ja, da
sind es viele schwangere Frauen, die zu mir kommen. Das mache ich bereits seit
12 Jahren, so dass ich sagen kann, mich hier gut auszukennen.
Warum sollten Schwangere osteopathisch behandelt werden?
Es geht im Wesentlichen um zweierlei: der werdenden Mutter die
Schwangerschaft so angenehm wie möglich zu machen und dafür zu sorgen,
dass das Kind gut mit Nährstoffen versorgt ist und genug Platz zum Wachsen
hat.
Wie gehen Sie vor?
Man kann eine Schwangerschaft in drei gleichlange Abschnitte, Trimester,
einteilen. Jedes dieser Trimester hat einen eigenen Schwerpunkt. Deshalb
empfiehlt es sich Schwangere pro Trimester einmal osteopathisch zu
untersuchen und ggf. dann zu behandeln.
Was passiert im ersten Trimester?
Im ersten Trimester findet die Zellteilung statt, die einzelnen Organe des
heranwachsenden Kindes entstehen. Der Körper der werdenden Mutter stellt sich
auf die Schwangerschaft und spätere Geburt ein. Hormone lassen alle Gewebe
weich werden. Dieses „weich und beweglich werden“ aller Strukturen kann
osteopathisch unterstützt werden. Das ist besonders wichtig, wenn Blockaden
vorliegen, etwa aufgrund einer Sectio caesarea, also eines Kaiserschnitts, aber
auch eine Blinddarmnarbe oder die Folgen einer Laparoskopie können
Strukturen blockieren, ebenso wie Stürze aufs Becken, Blockierungen der
Wirbelsäule oder der Rippengelenke.
Im ersten Trimester geht es also vor allem darum, die Beweglichkeit der äußeren
Hülle, also Becken, Muskeln, Gelenke usw. der Mutter, zu überprüfen und ggf.
wiederherzustellen.
Es gibt noch einen weiteren Punkt, weshalb sich die Osteopathie empfiehlt.
Während einer normalen Schwangerschaft sollte die Mutter möglichst keine
Medikamente einnehmen. Was aber soll eine Schwangere z.B. bei
Kopfschmerzen oder Migräne tun? Hier kann die Osteopathie durchaus helfen
und verhindern, dass die Schwangere etwa Schmerzmittel einnehmen muss.
Wie steht es um die schwangerschaftsbedingten Übelkeit?
Die lässt sich osteopathisch leider kaum behandeln!
Was passiert im zweiten Trimester?
Nun wächst das Kind deutlich. Erstgebärende bemerken manchmal erst jetzt,
dass sie schwanger sind. Durch das heranwachsende Kind verändert sich die
Statik der Mutter und die Gewebe werden weiterhin weicher. Das kann zur Folge
Verband der Osteopathen Deutschland e.V. - Presseheft 2008
haben, dass Dysfunktionen, die vielleicht schon seit Jahren bestehen, nun nicht
mehr kompensiert werden können und erstmals Beschwerden verursachen.
Ich beobachte immer wieder, dass Kinder sich zu früh senken, also schon weit
vor der 30. Schwangerschaftswoche stabil in Schädellage liegen. Der Kopf liegt
dann bereits im Becken der Mutter. Das Kind kann sich so nicht mehr als Ganzes
bewegen, sondern „zappelt“ nur. Solche Kinder weisen dann nach der Geburt oft
Blockierungen an den obersten Halswirbeln auf und zeigen Schädelasymmetrien.
Gründe können Probleme im Oberbauchbereich oder ein blockiertes Zwerchfell
der Mutter sein. Dies drückt das Kind nach unten und leicht nach vorn und nimmt
so dem Kind den Platz, um sich frei bewegen zu können.
Ein blockiertes Zwerchfell lässt sich meist sehr gut osteopathisch behandeln und
befreit das Kind aus seiner zu frühen Schädellage und die Mutter nicht selten von
Sodbrennen, eine häufige Begleiterscheinung einer Schwangerschaft.
Im zweiten Trimester geht es osteopathisch gesehen im Wesentlichen darum,
den Uterus beweglich zu halten und die sich verändernde Statik auszugleichen.
Was passiert in den letzten drei Monaten der Schwangerschaft?
Die sich nun deutlich ändernde Statik kann zunehmend Probleme verursachen
und etwa zu einer Ischialgie führen. Zudem neigt das Gewebe der werdenden
Mutter nun zu Wassereinlagerungen in Armen und Beinen. Das kann dann etwa
zu Taubheitsgefühlen in den Händen führen. Bei den Armen kann der größer
werdende Busen der Grund sein. Er erschwert mit seinem zunehmenden
Gewicht den Lymphabfluss im Brust- und Kopfbereich, das Gewebe, das weniger
Spannung aufweist, trägt seinen Teil dazu bei. Eine Lymphdrainage oder eben
Osteopathie können hier Abhilfe schaffen.
Sammelt sich Wasser in den Beinen, dann liegt oft das Kind tief im Becken und
verhindert so, dass die Lymphe gut abfließen kann.
Auch Krampfadern können so entstehen. Dann liegt das Kind mehr auf der einen
Seite oberhalb des betroffenen Beins und stört den venösen Rückfluss.
Übrigens, auch Hämorrhoiden und Vaginalvarizen können so entstehen.
Betroffene Frauen reden über solche Probleme verständlicherweise ungern,
dabei kann eine Osteopathin, indem sie unter anderem vorsichtig von außen das
Kind etwas weiter nach oben schiebt, solche Beschwerden lindern.
Aber es kommt doch auch vor, dass sich ein Kind nicht in die Geburtslage senkt?
Richtig. Dann muss man untersuchen, woran das liegt. Ist etwa der Psoasmuskel
verhärtet? Dieser verläuft von der Lendenwirbelsäule, an der er seitlich befestigt
ist, längs durch den Bauchraum hinunter zu der Innenseite der
Oberschenkelknochen. Ist der Muskel zu fest, schiebt er das Kind nach vorn und
nimmt den notwendigen Platz zum Absenken.
Je weiter ein Kind heranreift, desto öfter wird es mit den Füsschen treten oder den
Händchen boxen. Soweit die Mutter eine Dysfunktion aufweist, schützt das Kind
diesen Bereich. Und zwar indem es sich mit dem Rücken zu diesem Bereich
hindreht. Wenn also ein Kind sich nicht absenkt und stattdessen mit dem Rücken
z.B. an der Leber der Mutter angelehnt ist, kann es bedeuten, dass die Leber der
Mutter nicht bestmöglich funktioniert und auf keinen Fall Tritte oder Schläge
verträgt.
Zusammenfassend kann man sagen, dass es im dritten Trimester vor allem
darum geht, dass das Kind seine Beweglichkeit im Uterus behält.
Verband der Osteopathen Deutschland e.V. - Presseheft 2008
Kann eine Osteopathin auch die Geburt selbst vorbereiten?
Sicher. So ist z.B. für eine komplikationslose Geburt in Schädellage die
Zentrierung des Kindes sehr wichtig. Das bedeutet, der Kopf des Kindes muss
zentral auf dem inneren Mutermund aufliegen und ihn allmählich öffnen. Sonst
pressen die Wehen das Kind zwar nach unten, der Kopf findet aber deutlich
schwerer den Weg durch den Muttermund und das Kind wird gestaucht. Hier
lässt sich vaginal arbeiten und das Kind meist problemlos zentrieren.
Wie geht es nach der Geburt osteopathisch weiter?
Soweit die Geburt normal verlaufen ist und es Mutter und Kind gut geht, empfiehlt
sich eine osteopathische Untersuchung etwa drei bis sechs Wochen nach der
Geburt.
Was wird untersucht?
Bei der Mutter geht es um zweierlei: die Folgen der Geburt, wie etwa
Blockierungen in Becken und Wirbelsäule zu lösen. Schnitte, Risse, den Einsatz
von Geburtszange oder Saugglocke, aber auch Inkontinenz oder Schmerzen
beim Geschlechtsverkehr zu minimieren oder zu beheben und den Organismus
bei der Rückbildung der schwangerschaftsbedingten Veränderungen zu
unterstützen.
Diese Rückbildung kann der Körper aber erst abschließen, wenn die Mutter ihr
Kind nicht mehr voll stillt, also etwa sechs Monate nach der Geburt. Solange ist
das Gewebe noch sehr weich, muss sich die Gebärmutter zurückbilden und sich
die Statik neu justieren. Mütter sollten daher in dieser Zeit keinen intensiven
Sport treiben, denn sie trainieren in ihr weiches Gewebe hinein. Eine
Rückbildungsgymnastik ist aber sehr empfehlenswert. Nach den sechs Monaten
empfiehlt sich eine abschließende osteopathische Untersuchung.
Und was wird beim Kind untersucht?
Hier wird die Osteopathin die Reflexe prüfen, das Bewegungsverhalten und die
Körperhaltung. Trinkt das Baby gut, schläft es gut, wie ist der Stuhlgang, kann die
Mutter das Kind ablegen oder muss sie es immer bei sich tragen? Dies können
dann Hinweise auf eine mögliche Störung sein.
Der Osteopath prüft insbesondere Becken, Wirbelsäule, Halswirbelsäule und den
Schädel mit seinen Nähten und Fontanellen. Hat es Stauchungen oder
Zerrungen während der Geburt erlitten oder zeigt das Kind Beschwerden, die
während der Schwangerschaft, etwa aufgrund von Platzmangel, entstanden
sind? Je früher wir Osteopathen mögliche Beschwerden aufspüren und
behandeln können, desto besser können wir dazu beitragen, dass für das Kind
daraus später keine schwerwiegenden Probleme entstehen.
Frau Wünsch, vielen Dank für das Gespräch!
Abdruck honorarfrei.
Belegexemplar erbeten.

1 Kommentar:

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